Beschreibungssichten

Ausgangspunkt der Betrachtung ist ein Unternehmensprozess, wie er in folgender Abbildung dargestellt ist.

Der Prozess wird durch das Ereignis Kundenauftrag ist eingetroffen ausgelöst. Dieses Ereignis stößt die Funktion (Vorgang) Kundenauftrag annehmen an. Zur Durchführung dieses Vorgangs werden Zustandsbeschreibungen der relevanten Umwelt des Vorgangs benötigt. Hier sind insbesondere Daten über den Kunden und die Artikel relevant. Die Vorgangsbearbeitung kann zu einer Zustandsänderung der Umweltobjekte führen, z. B. können die Lagerbestandsdaten der Artikel mit den neuen Reservierungsdaten aktualisiert werden.

Die Vorgänge werden durch Sachbearbeiter durchgeführt, die wiederum Abteilungen zugeordnet werden können. Die Abteilung greift zur Durchführung ihrer Aufgaben auf bestimmte Ressourcen der Informationstechnik (Personal Computer, Drucker usw.) zu.

Mit Abschluss des Vorgangs Kundenauftrag annehmen tritt das Ereignis Auftrag ist bestätigt ein, das nun weitere Vorgänge zur Folge hat, z. B. Produktionsplan erstellen und Auftrag verfolgen. Das Objekt Auftrag befindet sich nun in einem neuen Zustand, denn aus dem Objekt Eingetroffener Auftrag ist ein Bestätigter Auftrag geworden. Durch das Ausführen der Funktion Kundenauftrag annehmen wurde eine Leistung erbracht, die bei der Bearbeitung der folgenden Vorgänge, zusammen mit personellen und sachlichen Ressourcen, als Input verwendet wird.

Modell eines Unternehmensprozesses

Die zur vollständigen Beschreibung eines Unternehmensprozesses benötigten Komponenten sind somit Vorgänge, Ereignisse, Leistungen (Zustände), Bearbeiter, Organisationseinheiten und Ressourcen der Informationstechnik. Müssten je betrachteten Vorgang alle Auswirkungen auf alle Elemente des Prozesses betrachtet werden, würde dies das Modell sehr komplizieren und auch zu Redundanzen in der Beschreibung führen.

Um diese Komplexität zu reduzieren, wird der Gesamtzusammenhang in einzelne Sichten zerlegt (vgl. nächste Abbildung), die eigene Modellierungs- und Entwurfsfelder darstellen (vgl. Scheer, Architektur integrierter Informationssysteme 1992, S. 13 ff.). Diese können zunächst weitgehend unabhängig voneinander bearbeitet werden. Die Zerlegung der Sichten erfolgt derart, dass die Beziehungen der Komponenten innerhalb einer Sicht sehr hoch sind, zwischen den Sichten jedoch nur eine relativ lose Kopplung besteht.

Sichten des Prozessmodells

Ereignisse wie Kundenauftrag ist eingetroffen, Rechnung ist erstellt definieren das Eintreten einer Zustandsänderung von Informationsobjekten (Daten). Sie werden in der Datensicht der ARIS-Architektur beschrieben.

Die Zustände im Umfeld der Objekte, z. B. im Umfeld des Auftrags, werden durch Leistungen repräsentiert. Eine Leistung kann entweder eine Sachleistung oder eine Dienstleistung sein. Dienstleistungen, die Informationen erzeugen und bereitstellen, sind Informationsdienstleistungen. Das Bereitstellen von finanziellen Mitteln gehört ebenfalls zu den Leistungen. Zusammenhänge zwischen Leistungen werden in der Leistungssicht der ARIS-Architektur beschrieben.

Die auszuführenden Funktionen (Vorgänge) sowie ihre Zusammenhänge untereinander bilden die zweite Sicht, die Funktionssicht. Sie beinhaltet die Beschreibung der Funktionen, die Aufzählung der einzelnen Teilfunktionen die zum Gesamtzusammenhang gehören, sowie die zwischen den Funktionen geltenden Anordnungsbeziehungen.

In der Organisationssicht werden die Bearbeiter und Organisationseinheiten sowie deren Beziehungen und Strukturen zusammengefasst.

Die Ressourcen der Informationstechnik bilden ein weiteres Betrachtungsfeld, die Ressourcensicht. Diese ist aber für die fachliche Betrachtung eines Geschäftsprozesses nur insoweit von Bedeutung, als sie Rahmenbedingungen für die Beschreibung der anderen, stärker betriebswirtschaftlich ausgerichteten Komponenten bildet. Aus diesem Grunde werden die Komponentenbeschreibungen der anderen Sichten (Daten, Funktionen, Organisation) in Abhängigkeit von der Nähe zu den Ressourcen der Informationstechnik beschrieben. Die Ressourcen werden somit auf den Beschreibungen DV-Konzept und Implementierung der anderen Sichten behandelt (vgl. Kapitel Beschreibungsebenen). Das durch die Ebenenbetrachtung definierte Life-Cycle-Modell ersetzt somit die Ressourcensicht als eigenes Beschreibungsfeld.

Mit der Zerlegung des Prozesses in einzelne Sichten wird zwar das Ziel der Komplexitätsreduzierung erreicht, allerdings gehen die Zusammenhänge der Prozesselemente zwischen den Sichten verloren. Aus diesem Grunde wird eine weitere Sicht, die Steuerungssicht aufgenommen, in der die Verbindungen zwischen den Sichten beschrieben werden. Die Aufnahme dieser Beziehungen in einer eigenen Sicht ermöglicht es, alle Beziehungen systematisch und redundanzfrei zu erfassen.

Die Steuerungssicht ist eine wesentliche Komponente von ARIS. Hierin liegt auch der hauptsächliche Unterschied des ARIS-Konzeptes zu anderen Architekturvorschlägen (zum Vergleich mit anderen Architekturvorschlägen s. Scheer, Architektur integrierter Informationssysteme, S. 24 ff.).

Es ergeben sich somit insgesamt die fünf ARIS-Sichten, denen auch in den weiteren Methodenbeschreibungen gefolgt wird.

Zerlegungssichten des Prozessmodells