Konstruktionsoperatoren bieten eine formale Hilfestellung bei der Erstellung eines Datenmodells. Sie sichern ab, dass Datenstrukturen nicht „willkürlich“ entstehen und geben dem Betrachter einer gegebenen Datenstruktur Hinweise über den Entwurfsprozess. Von eingeführten Begriffen ausgehend werden neue Begriffe durch Anwendung der Konstruktionsoperatoren erzeugt. Die Erstellung stellt dabei einen intellektuellen Prozess dar, der auf der Ebene des betriebswirtschaftlichen Fachwissens abläuft. Die Untersuchung der betriebswirtschaftlichen Tatbestände unter dem Gesichtspunkt der Datenstrukturen führt dabei entweder zur Strukturierung bekannter Tatbestände aus neuer Sicht oder auch zur Gewinnung neuer, bisher nicht berücksichtigter Zusammenhänge.
In der Vielzahl der unterschiedlichen Ansätze zur Erweiterung der ERM-Modellierung haben sich vier grundsätzliche Konstruktionsoperatoren durchgesetzt (vgl. Scheer, Wirtschaftsinformatik 1994, S. 35 ff):
Klassifizierung,
Generalisierung,
Aggregation und
Gruppierung.
Klassifizierung
Bei der Klassifizierung werden gleichartige Objekte (Entities) erkannt und einem Begriff (Entitytyp) zugeordnet. Ein Objekt ist mit einem anderen Objekt gleich, wenn es durch die gleichen Merkmale (Attribute) beschrieben wird.
Die Klassifizierung führt somit zur bereits beschriebenen Ermittlung von Entitytypen.
Generalisierung/Spezialisierung
Bei der Generalisierung werden ähnliche Objekttypen zu einem übergreifenden Objekttyp zusammengefasst.
So werden in der nächsten Abbildung der Entitytyp Kunde und der Entitytyp Lieferant zu dem Gattungsbegriff Geschäftspartner generalisiert. Die Eigenschaften (beschrieben durch die Attribute), die beiden Ausgangsobjekten gemeinsam sind, werden auf den generalisierten Objekttyp übertragen. Damit müssen nur noch die Attribute beschrieben werden, in denen sich die Ausgangsobjekttypen unterscheiden. Die Bildung des neuen Entitytyps Geschäftspartner wird grafisch durch das Dreieck ausgedrückt, das auch als is-a-Beziehung bezeichnet wird.
Wird ein Gattungsbegriff in Teilbegriffe zerlegt (Geschäftspartner wird in Kunde und Lieferant aufgespaltet), so liegt eine Spezialisierung vor.
Es handelt sich hierbei um die umgekehrte Form der Generalisierung. Die Eigenschaften des generalisierten Objektes werden auf die spezialisierten Objekte vererbt. Neben diesen vererbten Attributen können die spezialisierten Objekttypen auch eigene Attribute besitzen. Die Darstellung der Spezialisierung unterscheidet sich grafisch nicht von der Darstellung der Generalisierung.
Dies drückt sich in der Grafik auch dadurch aus, dass die Verbindungslinien nicht gerichtet dargestellt werden.
Während die Spezialisierung hauptsächlich eine Top-down-Vorgehensweise bei der Erstellung eines Datenmodells unterstützt, wird die Generalisierung zur Unterstützung einer Bottom-up-Vorgehensweise eingesetzt.
Im Rahmen der Spezialisierung kann bei der Bildung von Teilmengen die Vollständigkeit und Disjunktheit (Alternative) der entstehenden Teilmengen spezifiziert werden.
Nicht-disjunkte Teilmengen liegen vor, wenn die Ausprägung eines Objektes sowohl in der einen Teilmenge als auch in der anderen Teilmenge vertreten sein kann. So kann im obigen Beispiel ein Kunde auch gleichzeitig Lieferant sein. Kann eine Ausprägung immer nur genau einer Teilmenge zugeordnet werden, so liegen disjunkte Mengen vor.
Eine vollständige Spezialisierung liegt dann vor, wenn für einen generalisierten Objekttyp alle möglichen spezialisierten Objekttypen eines Spezialisierungsgesichtspunktes aufgeführt werden. So kann z. B. der Entitytyp Mensch in die Entitytypen Frau und Mann spezialisiert werden (vgl. folgende Abbildung). Die Spezialisierung unter dem Gesichtspunkt Geschlecht wäre damit vollständig.
Die Kombinationen dieser Kriterien ergeben somit die folgenden vier Ausprägungen zur näheren Spezifizierung einer Generalisierung/ Spezialisierung:
disjunkt/vollständig,
disjunkt/nicht vollständig,
nicht disjunkt/vollständig,
nicht disjunkt/nicht vollständig.
Aggregation
Die Aggregation beschreibt die Bildung neuer Objekttypen durch die Zusammenfassung vorhandener Objekttypen. Der neue Objekttyp kann hierbei Träger neuer Eigenschaften sein.
Die Aggregation wird im ERM durch die Bildung von Beziehungstypen ausgedrückt (vgl. nächste Abbildung). Das neue Objekt Auftragsarbeitsplan entsteht durch Aggregation der Entitytypen Fertigungsauftrag und Arbeitsplan.
Der Aggregationsoperator kann aber auch auf Beziehungen angewendet werden. Ein dabei vorhandener Beziehungstyp wird dann als Entitytyp betrachtet und kann somit selbst wieder Ausgangspunkt für die Bildung neuer Beziehungen sein. Ein Beispiel hierfür wird in folgender Abbildung gezeigt.
Aus den Entitytypen Fertigungsauftrag und Arbeitsplan wurde durch eine erste Aggregation der Beziehungstyp Auftragsarbeitsplan gebildet. Die Schlüsselattribute Fertigungsauftragsnummer (FANR) und Arbeitsplannummer (APLNR) bilden den komplexen Schlüssel des Auftragsarbeitsplans. Dem Auftragsarbeitsplan können nun mehrere Arbeitsgänge zugeordnet werden. Aus diesem Grunde wird zwischen dem Beziehungstyp Auftragsarbeitsplan und dem Entitytyp Arbeitsgang die Beziehung Auftragsarbeitsgang gebildet. Da Beziehungen nur zwischen Entitytypen erzeugt werden können, muss der Beziehungstyp Auftragsarbeitsplan uminterpretiert werden. Wie in der nächsten Abbildung dargestellt ist, wird hierzu die Raute umrandet. Der entstehende uminterpretierte Beziehungstyp wird im Folgenden dann wie ein „normaler“ Entitytyp behandelt. Um die Entstehung des Beziehungstyps weiterhin grafisch darzustellen, werden die Kanten der an der Entstehung des Beziehungstyps beteiligten Entitytypen bis an die Raute herangezogen. Die von dem uminterpretierten Beziehungstyp ausgehenden Kanten zur Bildung neuer Beziehungen werden lediglich bis an die Ränder des Rechtecks geführt und berühren die Raute im Innern des Symbols nicht.
Obwohl es grundsätzlich möglich ist, die komplexen Schlüssel durch einfache Schlüssel zu ersetzen, hilft die Mitführung der komplexen Schlüssel, den Entstehungsprozess eines Datenmodells nachzuvollziehen.
Ein ERM zerlegt einen komplexen Zusammenhang in eine übersichtliche Struktur. Da dabei jedoch der Bezug zum Gesamtkomplex nicht immer unmittelbar sichtbar bleibt, werden komplexe Objekte in Form von Clustern/Datenmodellen eingeführt.
Ein Cluster/Datenmodell beschreibt eine logische Sicht auf eine Ansammlung von Entity- und Beziehungstypen eines Datenmodells, die zur Beschreibung eines komplexen Objektes benötigt wird.
Neben Entity- und Beziehungstypen kann auch Cluster/Datenmodell selbst wieder Bestandteil eines Cluster/Datenmodells sein. Cluster/Datenmodell ist somit - im Gegensatz zu Entity- und Beziehungstypen - beliebig hierarchisierbar und unterstützt somit hauptsächlich ein Top-Down-Vorgehen bei der Datenmodell-Erstellung. Aber auch bei der Zusammenführung und Konsolidierung von Teilmodellen im Zuge einer Bottom-up-Vorgehensweise kann die Bildung von Clustern/Datenmodellen eine hilfreiche Unterstützung sein.
Die nächste Abbildung zeigt die grafische Darstellung eines Cluster/Datenmodells.
Das Cluster/Datenmodell ist eine logische Sicht auf mehrere Entity- und Beziehungstypen. Zur Beschreibung des komplexen Objektes Kundenauftrag werden die Entity- und Beziehungstypen Kunde, Zeit, Auftragskopf, Artikel und Auftragsposition benötigt.
Gruppierung
Bei der Gruppierung werden aus den Elementen einer Entitymenge Gruppen gebildet.
So werden zum Beispiel in der folgenden Abbildung die Betriebsmittel zu Betriebsmittelgruppe zusammengefasst. Die Betriebsmittelgruppe ist ein eigenständiges Objekt, das durch weitere Attribute (Name der Betriebsmittelgruppe, Anzahl der Betriebsmittel), die nicht zu einzelnen Betriebsmitteln gehören, näher beschrieben werden kann. Weitere Beispiele sind die Gruppierung von Arbeitsplätzen zu Abteilungen oder die Zusammenfassung von Auftragszeilen zu Aufträgen.